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Kirchenneubau 1905

Lützenhardter KircheTrotz der finanziellen Notlage der Gemeinde wird es mit der Zeit doch notwendig, für Lützenhardt, das inzwischen auf über 500 Einwohner angewachsen ist, eine eigene Kirche zu bauen. Treibende Kraft dabei ist Pfarrer Knoblauch von Heiligenbronn, der ja auch Pfarrer für Lützenhardt ist. Er hatte seinerzeit zusammen mit Pfarrer Diekmann von Salzstetten die Gastwirtschaft neben der Kirche in Heiligenbronn aufgekauft und 1877 darin ein "Kleinkinderasyl" eingerichtet, das allerdings schon 1891 wegen zu hoher Schulden wieder aufgegeben werden mußte. 1897 wurde darin in einem Neubau eine Privatschule für Knaben, die "Antiniuspflege", mit Ordensschwestern als Lehrerinnen eingerichtet. Am 29. Oktober 1903 wird der Grundstein für die neue Kirche in Lützenhardt gelegt, nachdem .schon im August mit dem Bau des Pfarrhauses begonnen worden war. 1905 ist der Neubau fertig, am 26. Oktober wird die Kirche von Bischof Dr. v. Keppler aus Rottenburg geweiht, und am 29. Oktober zieht Pfarrer Knoblauch in das neue Pfarrhaus ein. 94745 Mark hat der Bau gekostet, 7000 Mark an Schulden verblieben der Kirchengemeinde.

Pfarrer Knoblauch

Pfarrei Knoblauch muss ein strenger Herr gewesen sein für seine Gemeinde, und oft hat er sich über die besonderen Eigenheiten seiner Lützenhardter, für die er wenig Verständnis aufbringen konnte, bitter beklagt. Doch er hatte auch Humor, von ihm stammt der folgende Reim, der sich auf die in Lützenhardt an fast jedem Wochenende üblichen Schlägereien bezieht:

"Oh Lützenhardt, oh Lützenhardt! Dein Ruf' dringt immer weiter
 Sowohl durch deine Bürsten hart Als auch durch deine Streiter!"

22 Jahre lang hat er in Lützenhardt amtiert, bis er im Jahre 1907 nach Oberschwaben versetzt wurde. 1929 ist er in Saulgau gestorben und in Heiligenbronn beerdigt worden.

In den Jahren nach 1900 werden die Schulverhältnisse wieder einmal schwierig. Die zwei Schulsäle reichen für die vielen Schüler einfach nicht mehr aus, ein weiterer Schulsaal wird dringend notwendig, aber woher nehmen? Die Lösung besteht darin, dass für die Gemeindeverwaltung, die ja noch im Schulhaus ihre Räume hat, eine eigene Unterkunft gefunden wird, und zwar in einem der ältesten Häuser von Lützenhardt, einem Wohnhaus an der Ecke der heutigen Hauptstraße und der Maierhofstraße, das von der Gemeinde gekauft und als Rathaus eingerichtet wird, so dass im 2. Obergeschoss des Schulhauses ein dritter Schulsaal ausgebaut werden kann.

Eisenbahn durchs Waldachtal?

Nachdem das Netz der Eisenbahnen mit seinen Hauptstrecken nahezu ausgebaut war, ging man in Stuttgart daran, ergänzende Nebenstrecken zu planen, wie beispielsweise zwischen Dornstetten und Pfalzgrafenweiler. Offen war dabei zunächst noch die Frage, ob diese Nebenbahn über Hallwangen geführt werden sollte oder durch das Waldachtal. Durch das Waldachtal vielleicht, um den dortigen Gemeinden ihre Verkehrsferne zu nehmen und ihnen damit bessere F ' Entwicklungsmöglichkeiten zu verschaffen, und vielleicht auch deshalb, weit man in der Eisenbahnkommission der Abgeordnetenkammer in Stuttgart wohl wußte, dass die Lützenhardter Bürstenhändler an bestimmten Tagen die Züge füllen würden. Eine Deputation aus Lützenhardt, Tumlingen und Hörschweiler versucht daher im Jahre 1909, die Regierung besonders nachdrücklich darauf hinzuweisen, wie wichtig eine Eisenbahn durchs Waldachtal für die dortigen Gemeinden sein könnte. Doch die Eisenbahnkommission stimmt schließlich doch für die Strecke über Hallwangen, die Waldachtalgemeinden sind um eine Hoffnung ärmer. Mit dem Bahnbau wurde zwar begonnen - zwischen Dornstetten und Hallwangen sind noch heute Bahndämme und -einschnitte zu erkennen - aber er wurde nie durchgeführt.

Einkaufsgenossenschaft?

Um diese Zeit denkt man in Lützenhardt auch an die Bildung einer Einkaufsgenossenschaft, die das Rohmaterial für die Bürstenwaren en gros einkaufen und je nach Bedarf an die einzelnen Hersteller weitergeben könnte. Man ahnt schon, dass die in Lützenhardt herkömmliche, ausschließlich handwerkliche Herstellung von Bürstenwaren und ihr Vertrieb durch den Hausierhandel irgendwann einmal von der industriellen Fertigung und dein Verkauf durch den Groß- und Einzelhandel völlig verdrängt werden könnte. Um 1900 lebten davon in Lützenhardt 70 bis 80 Familien und etwa 10 familienfremde Hilfskräfte. Hausiert wurde damals übrigens nicht nur mit Bürstenwaren, sondern auch mit Obst, Ferkeln, Waldbeeren und Pilzen sowie mit Schirmen, Parfümerien, Korb- und Holzwaren, Schuhwaren, Nähnadeln, Federn, Bändern und dergleichen mehr, wie uns die "Beschreibung des Königreichs Württemberg" von 1905 berichtet. Zu der erwogenen Einkaufsgenossenschaft ist es jedoch nicht gekommen.

Pfarrer Gähr 1910 - 1918

1910 tritt Pfarrer Gähr seinen Dienst in Lützenhardt an. Mehr als seine Vorgänger zeigt er Verständnis für die Charaktereigenschaften der Lützenhardter: " Bürstenmacherei ist ein staubiges Geschäft, daher das viele Trinken, es hat alles seiner Grund! " hat er einmal geschrieben. Die Lebensgewohnheiten der Bürstenmacher und -händler schildert er sinngemäß etwa folgendermaßen: "Nach der Heimkehr von der Reise wird so lange nichts gearbeitet, wie das Geld reicht. Fast kein Sonntag vergeht ohne Rauferei, kein Montag ohne Tanz in der "Krone", in der "Germania" oder manchmal auch im "Hirsch". Hierzu ist festzuhalten, dass der Montag in Lützenhardt der Tag war, an dem die meisten Hochzeiten gefeiert wurden, die nahezu regelmäßig mit einer Wirtshaus Schlägerei endeten, manchmal sogar schon am frühen Nachmittag, wobei darin meist das Wirtshaus Mobiliar in Trümmer ging. Das führte oft genug zu den berüchtigten Gewalttaten junger Lützenhardter, von denen manch einer hinterher Jahre lang im Gefängnis sitzen musste, weil er jemanden erstochen oder erschossen hatte. Immer wieder kam es vor, dass der Schultheiß, der im Dorf die richterliche Gewalt innehatte, noch spät in der Nacht einen Missetäter zu Fuß nach Horb ins Amtsgericht abführen musste.

"... ist dann das auf der letzten Reise verdiente Geld alle, dann wird wieder geliehen, gearbeitet und aufs Neue auf' die Reise gegangen. Das Fahrgeld muss allerdings vorher beim Wirt in Schopfloch geliehen werden. Bei der Rückkehr geht darin der Weg zuerst wieder ins Wirtshaus in Schopfloch, um das Geliehene zurückzugeben. Vom Amtsrichter in Horb berichtet Pfarrer Gähr, dass dieser 1913 feststellen konnte, dass er schon länger nichts mehr mit Lützenhardtern zu tun gehabt habe. Pfarrer Gähr schreibt dazu: "Wenn's so weitergeht, darin wird unsere Gemeinde noch ganz gut werden!"

Elektrisches Licht und Wasserleitung

Einen großen Fortschritt stellt die Einführung des elektrischen Lichts im Jahre 1914 dar. Das dazu notwendige Transformatorenhaus sollte ursprünglich zwischen Pfarrhaus und Kirche gebaut werden, aber dagegen erhebt Pfarrer Gähr mit Recht Einspruch. Daraufhin wird es am Mühlenweg gebaut, wo es heute noch steht. Im gleichen Jahr wird endlich auch eine Wasserleitung ins Dorf gelegt, was vorher Jahre lang immer wieder wegen des Geldmangels aufgeschoben worden war. Eine weitere Erleichterung für die Bürstenhändler schließlich bringt die Einrichtung einer regelmäßigen Autoverbindung zwischen Lützenhardt und Schopfloch durch Franz Schweizer.

Kriegs- und Nachkriegszeiten


Im August 1914 bricht der erste Weltkrieg aus. Voll Begeisterung ziehen die wehrfähigen Männer in den Krieg, und schon bald kommen die Nachrichten von den ersten Gefallenen. Der erste aus Lützenhardt ist Karl Schweizer bei der Germania. Bis zum Ende des Krieges hat Lützenhardt 37 Gefallene und zwei Vermisste zu beklagen.

Beispiele dafür, wie unbarmherzig der Krieg aber auch die Menschen in der Heimat treffen konnte, gibt es genug. In Lützenhardt ist es die achtzigjährige Witwe des Sonnenwirts Immer, die besonders schwer vom Schicksal geschlagen wird. Sie wurde von ihrem in England lebenden Sohn so ausreichend unterstützt, dass ihr ein sorgenfreies Alter sicher war - bis zum Jahr 1916, als der Sohn wegen der Kriegsverhältnisse von heute auf morgen kein Geld mehr schicken kann, so dass sie plötzlich mittellos ist. Zunächst kann sie noch beim Sonnenwirt wohnen bleiben und verpflegt werden. Als dieser jedoch zum Kriegsdienst eingezogen wird, muss die Ortsarmenbehörde sie im Erdgeschoss des Rathauses unterbringen in einem feuchten, fast lichtlosen Raum. Der Sonnenwirt Spindler gibt ihr wenigstens eine Bettlade mit Rost und Bettzeug mit, sowie einen Nachttisch und einen kleinen Tisch, wofür die Ortsarmenbehörde die Kosten - 56 Mark - übernimmt. Später wird sie in die "Landesarmenanstalt" in Reutlingen aufgenommen, ein Armenhaus für die Allerärmsten des Landes, wo sie darin 1920 von ihrem trostlosen Dasein erlöst wird.

Die Schulsparkasse, die zwei Jahre vor Kriegsausbruch gegründet worden war, wird im August 1914 nahezu aufgelöst, weil fast alle Sparguthaben aus einer Art Panik heraus abgehoben werden. Plötzlich - so schreibt Pfarrer Gähr - schwimmen die Lützenhardter im Bargeld, nur wenige lassen ihr Guthaben stehen.

Im Juli 1917 werden die Kirchenglocken vom Turm geholt zum Einschmelzen, man braucht sie für Kanonenrohre. Auf Bitten von Pfarrer Gähr verbleibt der Gemeinde nur die größte der Glocken. Dazu kommt noch die ehemalige Schulglocke wieder zu Ehren, die seit 1905 nicht mehr benutzt worden war. Jetzt findet sie als Ersatz für die abgelieferten Glocken auch ihren Platz im Kirchturm.

Auf Grund der allgemein unerfreulichen Kriegsverhältnisse und vor allem auch, weil viele Väter im Krieg und die Mütter überbelastet sind, beginnen die Heranwachsenden wieder zu verwildern. Viele von ihnen bekommen die Reisepässe und Wandergewerbescheine zu früh für ihr Alter. Eine fast wilde Vergnügungssucht bricht am Ende des Krieges aus, nicht nur bei der Jugend. Sie wird noch gefördert durch die Gründung aller Art von Vereinen, deren Tanzveranstaltungen einander laufend ablösen, und wieder wie vordem schon einmal, haben die Jugendlichen Waffen in der Tasche und fangen aus reinem Übermut sogar an, auf den Dorfstraßen scharf zu schießen.

Kriegsende 1918

Nach Kriegsende werden in den Gemeinden allgemein im Gefolge der Revolution Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, welche die Geschicke der Bevölkerung in die Hand nehmen sollen. In Lützenhardt jedoch gelingt das nicht, weil die Beteiligten heillos zerstritten sind.

Schultheiß Wittich 1918 - 1924

Schultheiß Schweizer tritt 1918 von seinem Amt zurück, vermutlich hat man ihm mit allerlei Anfeindungen und Vorwürfen das Leben allzu schwer gemacht. Sein Nachfolger wird Jakob Wittich. Auch Pfarrer Gähr verlässt seine Gemeinde, er bewirbt sich uni eine andere Pfarrstelle, und seine Stelle übernimmt Pfarrer Schweiß. Im Rathaus erwägt man unterdessen die Angliederung der Gemeinde an das Oberamt Freudenstadt, um endlich aus der verwaltungsbedingten Sonderstellung gegenüber den anderen Gemeinden im oberen Waldachtal herauszukommen. Vorher allerdings will man von einem Fachmann wissen, ob der Gemeinde daraus möglicherweise auch Nachteile entstehen könnten. Wie das Gutachten des Fachmanns ausgefallen ist, wissen wir nicht. Geschehen ist damals nichts dergleichen, erst 20 Jahre später wird Lützenhardt dem Landkreis Freudenstadt zugeordnet.

Viele Sorgen bereitet die Wohnungsnot, die damals bekanntlich allgemein in ganz Deutschland geherrscht hat. Lützenhardt hat mittlerweile etwa 700 Einwohner, 1910 waren es noch 600 gewesen. Aber seither ist wenig gebaut worden, und jetzt muss erst einmal festgestellt werden, wo Wohnräume etwa leer stehen und welche davon möglicherweise zwangsvermietet werden können. Dazu wird ein Wohnungsamt gebildet. Um mehr Möglichkeiten für den Bau der dringend notwendigen Wohnungen zu bekommen, versucht die Gemeinde 1919, bei der Kreisregierung in Reutlingen zu erwirken, dass ihre Gemarkung irgendwie vergrößert wird. Die Kreisregierung lehnt das jedoch ab und schlägt stattdessen vor, die Gemeinde solle sich an eine der Nachbargemeinden anschließen. Das wiederum lehnt Lützenhardt ab. Auch der Versuch, wenigstens die Exklave "Lützenhardter Mühle" von Tumlingen zu bekommen, ist vergeblich. Es bleibt in dieser Hinsicht also alles beim Alten. Der Wohnungsmangel führt in der Gemeinde immer wieder zu Reibereien, vor allem wegen der notwendigen Zwangseinweisungen von Mietern. Besonders schwierig ist es, bei jedem Lehrerwechsel aufs Neue eine passende Lehrerwohnung zu finden. Schließlich geht die Gemeinde im Oktober 1922 dazu über, jeden weiteren Zuzug nach Lützenhardt grundsätzlich zu sperren. Erst 1925 kann die inzwischen fast überall im Lande eingeführte Wohnungs-Zwangswirtschaft wieder aufgehoben werden.

Die verheerende Inflation von 1920 bis 1923 zwingt unter anderem immer wieder zur Erhöhung von verschiedenerlei Ortsgebühren, etwa für Strom oder Wasser. Dies trägt leider dazu bei, dass das Verhältnis zwischen Gemeindeverwaltung und Bevölkerung zeitweise empfindlich gestört wird. Schließlich lähmt die galoppierende Geldentwertung nahezu das gesamte Wirtschaftsleben, so dass sogar die Vereinsveranstaltungen immer weniger werden.

 Schultheiß Schweizer 1924 - 1938

Am 4. Juli wird Karl Schweizer zum Nachfolger von Schultheiß Wittich gewählt. In den zwanziger Jahren bringt die Erkenntnis, dass das Bürstenhandwerk und der Hausierhandel mit fortschreitender Industrialisierung bald nicht mehr konkurrenzfähig sein könnten, doch den einen oder anderen der besonders unternehmerisch veranlagten Lützenhardter dazu, sich nach anderen Existenzgrundlagen umzusehen. Aber auch die Gemeinde wird unternehmerisch tätig, um gewerbliche Arbeitsplätze am Ort zu schaffen. Sie baut in eigener Regie an der heutigen Kirchbergstraße ein Fabrikgebäude, das am 25. Oktober 1926 eröffnet wird. Der erste Mieter ist eine Nürtinger Strickwarenfabrik, die etwa 50 Frauen beschäftigt. Doch schon ein Jahr später gerät die Firma in Zahlungsschwierigkeiten, so dass bald wieder ein neuer Mieter gesucht werden muss. Zunächst findet sich aber kein Interessent, und auch der Plan, eine "Vereinigte Bürstenwarenfabrik" zu gründen, die darin in das Fabrikgebäude einziehen könnte, lässt sich leider nicht verwirklichen, und so bleibt der Bau bis auf Weiteres leer. Anscheinend war damals eine Gemeinde wie Lützenhardt ohne Bahnanschluss für einen Industriebetrieb einfach nicht geeignet.

Lützenhardter MühleImmer mal wieder gibt es Schwierigkeiten mit der Tumlinger Exklave "Lützenhardter Mühle". Schon seit 1870 waren an der Talseite der heutigen Kirchbergstraße zwischen dein Straßenkreuz an der "Krone" und der Einmündung des Mühlwegs, und seit 1900 auch an der heutigen Waldachstraße, von Tumlinger Bauern Wohnbauten Und Wirtschaftsgebäude errichtet worden. Die dort wohnenden Tumlinger müssen zwar die Wege und Straßen auf der Lützenhardter- Gemarkung benutzen, brauchen aber keinen Unterhaltungsbeitrag dafür in bezahlen. Als nun aber ein Lützenhardter Bürger 1928 auch auf Vesperweiler Gemarkung gegenüber der Kirche an der Kirchbergstraße bauen will, erhebt die Gemeinde Lützenhardt Einspruch. Sie weist darauf hin, dass, wenn So etwas zugelassen würde, angesichts der Bauplatznot in Lützenhardt bald noch mehr Lützenhardter Bürger diesem Beispiel folgen wurden, so dass Lützenhardt dadurch erhebliche finanzielle Nachteile zu erwarten hätte. Das Baugesuch wird am Ende aber doch von der Gemeinde Cresbach zugelassen, und später kommen noch mehr Neubauten dazu.

Im Dezember 1929 übernimmt Pfarrer Sauter die Pfarrei Lützenhardt, nachdem "ein Vorgänger, Pfarrer Schweiß, krankheitshalber abgelöst worden war. Pfarrer Sauter bleibt -5 Jahre lang in Lützenhardt. Von ihm stammt die folgende Charakterisierung seiner "Lützenhardter" Man wird den Lützenhardtern wohl mildernde Umstände zubilligen müssen. Sie haben gewiss ihre guten Seiten, freilich sollte man sie halt immer loben! Sobald man ihnen zu nahe treten muss, regt sich ihr nicht geringer Stolz und Eigensinn. Sie haben eine leichte und lose Zunge, die recht giftig werden kann. Ihre Lebensart bringt es mit sich, mit einer angeborenen Zungenfertigkeit anderen etwas vorzumachen."

Fabrik 1931

Zu einer ständigen Sorge der Gemeinde wird das seit 1927 immer noch leerstehende Fabrikgebäude. Als es endlich 1931 gelingt, eine Uracher Firma als Mieter zu gewinnen, stellt sich heraus, dass inzwischen schwere Bauschäden entstanden sind, teils auf Grund mangelhafter Bauausführung, teils wegen des undicht gewordenen Daches und der zu lange trockenliegenden Wasserleitungen. Besonders gelitten haben die Wohnungen innerhalb des Gebäudes. Kostspielige Reparaturen werden notwendig, um den Bau wieder benutzbar zu machen. Kurz nachdem die Firma eingezogen ist, kann sie ihre Miete - 80 Mark monatlich - kaum mehr bezahlen, und schon im Februar 1933 muss sie wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten wieder ausziehen. In Lützenhardt ist man zwar froh, dass man den finanzschwachen Mieter wieder los ist, doch nun geht die Suche nach einem anderen Mieter wieder an.

Als ein besonderer Lichtblick für Lützenhardt ist zu werten, dass Franz Schweizer das heute noch bestehende Onmibusunternehmen im Jahre 1929 gründet, das sich in der Folgezeit gut entwickelt. Schon 1930 übernimmt Schweizer die regelmäßige Omnibusverbindung zwischen Horb, Lützenhardt und Dornstetten, was vor allem den Lützenhardter Hausierhändlern sehr zugute kommt.

1930 wird ein vierter Lehrer eingestellt, aber nach wie vor gibt es im Schulhaus nur drei Schulzimmer, was auf die Dauer unzumutbar ist. Aber nicht nur die Schulkinder machen den Eltern Sorgen, sondern auch viele schulentlassene Jugendliche, denen eine regelmäßige Erziehung durch die Eltern fehlt, die ihr Geld auf der Reise verdienen müssen. Immer mehr Kinder müssen in Fürsorgeerziehung gegeben werden, und auffällig viele Heranwachsende beantragen jetzt selbst Wandergewerbescheine. Allein im Januar 1931 sind es zwölf im Alter von 16 bis 23 Jahren, darunter fünf Mädchen. Der Mangel an gewerblichen Arbeitsplätzen am Ort oder in erreichbarer Nahe lässt trotz alter Bedenken das Bürstenmacherhandwerk und den Hausierhandel immer weiter anwachsen, obwohl dieses Gewerbe immer weniger konkurrenzfähig wird. In Lützenhardt überlegt man sich infolgedessen ernsthaft die Gründung einer Produktionsgenossenschaft "Bürstenindustrie Lützenhardt" und will einen Staatszuschuss dafür beantragen, doch auch dieser gut ausgedachte Plan wird niemals ausgeführt.

Adolf Hitler 1933


Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Damit wird ein völliger politischer "Umschwung" eingeleitet, der sich bis ins letzte Dorf auswirkt. Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei - NSDAP - erhält die uneingeschränkte politische, auch kommunalpolitische, Macht. In Württemberg setzt sie sich erst am 15. März durch mit der Wahl des Gauleiters der NSDAP Wilhelm Murr zum Staatspräsidenten. Das erste Gesetz, das sich bis in die Gemeinden hinunter auswirkt, ist das "Gesetz zur Gleichstellung der Länder mit dem Reich", das praktisch die Reichsverfassung und die Länderverfassungen auflöst, und mit dem sowohl der Landtag als auch die Bezirks-und Gemeinderäte nach dem "Führerprinzip" umgestaltet werden: alles, was geschieht, bestimmt die Parteiführung. Auch in Lützenhardt wird der Gemeinderat aufgelöst. Schultheiß Schweizer, seit Dezember 1930 aufgrund der damaligen neuen Gemeindeordnung "Bürgermeister", bleibt im Amt.

Trotz der totalen Neuordnung in jeder Hinsicht bleiben die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Lützenhardt natürlich die gleichen. Auch der Ortsgruppenleiter der NSDAP macht sich Sorgen um die Zukunft der Bürstenmacher: "Wird Lützenhardt trotz wachsender Industrialisierung der Bürstenherstellung und immer größer werdenden Notlage der handwerklichen Bürstenmacherei und des Hausierhandels auch in Zukunft auf diese harte Weise sein Brot verdienen müssen, oder ist es möglich, eine andere Erwerbsquelle für die Lützenhardter zu finden, vielleicht durch Verlegung irgendeiner Industrie in die seitherige Bürstenmacherzentrale?" Auch ihm machen die wachsenden Angriffe gegen den Hausierhandel Sorge, beispielsweise die scharfe Hetze des "Kampfbundes des gewerblichen Mittelstands" im Juni 1934.

Bürstenmacher in der Krise

Aus dieser Bedrängnis heraus erscheint im "Grenzer" der "Notschrei der Lützenhardter Bürstenhändler", in dem es unter anderem heißt:

"Dank der Güte seiner handgefertigten Ware konnte sich der Lützenhardter Bürstenmacher gegen die Konkurrenz bis heute durchsetzen. Nachdem aber ganze Dörfer gegen ihn aufgehetzt und eine langjährige Kundschaft gegen ihn verpflichtet wird, ihn völlig zu sabotieren, muss der Daseinskampf des Lützenhardter Bürstenhändlers in kürzester Zeit zur Tragödie werden."

In der Absicht, die Lützenhardter Bürstenmacher zu zwingen, sich entweder den Forderungen der Handwerkskammern zu beugen, die insbesondere den Hausierhandel bekämpfen, oder die Herstellung und den Verkauf von Bürstenwaren ganz aufzugeben, wird die Bürstenherstellung als Handwerk anerkannt. Das bedeutet, dass jeder, der Bürsten machen will, eine Gesellen- und Meisterprüfung abzulegen hat und auf das Hausieren verzichten muss. Wer das ablehnt, kann allenfalls Bürsten verkaufen, aber auch das nur unter erschwerenden Bedingungen.

Wer an einem Arbeitsplatz in der Industrie interessiert ist, dem wird Arbeit in den Mauserwerken in Oberndorf am Neckar, etwa 35 km entfernt, angeboten, wo Schusswaffen hergestellt werden. Dorthin fahren zweimal täglich etwa 100 Omnibusse die Pendler aus einem weiten Umkreis und bringen sie bei Schichtwechsel wieder zurück in ihre Wohnorte. Allein aus dem oberen Waldachtal und benachbarten Orten lässt das Omnibusunternehmen Schweizer täglich 5 Omnibusse nach Oberndorf und zurück fahren. Es gibt aber auch Familien die ganz von ihrem Wohnort weg in weiter entfernt liegende Industriestandorte umgesiedelt werden.

In Lützenhardt erwägt man indes die Gründung einer Fachschule für Bürstenmacher für den Fall, dass es nicht gelingen sollte, wenigstens einen Teil der Jugendlichen vom Bürstenmacherhandwerk abzubringen. Inzwischen ist der Notstand der einseitig auf Bürstenherstellung und Hausierhandel eingestellten Gemeinde auch in der Landesregierung bekannt geworden. Im Wirtschaftsministerium ist man der Meinung, dass zumindest der Hausierhandel als unwirtschaftlich, unrentabel und deshalb als unerwünscht verschwinden müsse. Der Reichsstatthalter, der in der Landesplanungsgemeinschaft Württermberg-Hohenzollern den Vorsitz innehat, ist daran interessiert, dass eine Notstandsgemeinde wie Lützenhardt innerhalb seines Machtbereichs von Staats wegen unterstützt wird. Als sich Franz Schweizer bereit erklärt, die Bürstenbranche auf neuer industrieller Grundlage aufzubauen, wird ihm deshalb staatliche Hilfe zugesagt. Zur Einlösung dieses Versprechens ist es zu dieser Zeit allerdings nicht mehr gekommen.

1935 tritt Pfarrer Merkle die Nachfolge von Pfarrer Sauter an. Er ist ein hochgebildeter Theologe, für die kleine Gemeinde Lützenhardt bedeutet es ein hohes Maß von Anerkennung von Seiten der Kirche, dass sie eine so wertvolle Persönlichkeit gerade für die zu erwartende Zeit harter Gegensätze zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus als Ortsgeistlichen bekommt.

Bürgermeister Josef Rupp 1938 - 1945 / Kreisreform 1938

1938 gibt Bürgermeister Schweizer sein Amt ab und wechselt in die Reichsfinanzverwaltung über. Seinen Nachfolger bestimmen die Beauftragten der NSDAP: für die nächsten 7 Jahre wird Josef Rupp Bürgermeister. Im gleichen Jahr wird die Verwaltungsgliederung des Landes Württemberg geändert. Die 65 Oberämter von 1807 werden ersetzt durch 34 Landkreise. Lützenhardt wird dem neuen Landkreis Freudenstadt zugeordnet, so dass es künftig wenigstens dem gleichen Landkreis angehört wie die Nachbargemeinden im oberen Waldachtal. Dafür ist es nun die einzige Gemeinde dieses Landkreises mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Bestehen bleibt leider die unglückliche, viel zu kleine Gemeindefläche von Lützenhardt, es bleibt auch die Tumlinger Exklave "Lützenhardter Mühle", denn zu der ursprünglich zusätzlich vorgesehenen Gemeindegebietsreform kommt es nicht mehr.

Auch die finanzielle Lage der Gemeinde bessert sich trotz des politischen "Umschwungs" nicht. Die Ortsstraßen von Lützenhardt waren schon immer in schlechtem Zustand gewesen, doch jetzt, 1938 ist ihr Zustand so schlimm, dass sie das ganze Ortsbild beeinträchtigen. Wollte man sie aber erneuern, dann müssten erst alle Abwässer und Regenwässer vorher auf Kosten der Hauseigentümer verdolt werden, und daran ist überhaupt nicht zu denken. Es geschieht also nichts. Etwas gelingt jedoch, nämlich nach mehrmaligen vergeblichen Bemühungen wieder einen Mieter für das Fabrikgebäude zu bekommen. Im März 1939 wird ein Mietvertrag mit der Kleiderfabrik Sonnenfroh in Reutlingen abgeschlossen, und bald danach finden dort etwa 50 Frauen einen Arbeitsplatz. Die Monatsmiete beträgt 50 Mark monatlich. Das ist zwar nicht viel, doch die Arbeitsplätze am Ort sind wertvoll.

 Neuer Krieg und neue Hoffnungen 2. Weltkrieg

Der 1. September 1939 ist ein unheimlicher Tag. Zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert bricht ein Krieg aus, der sich rasend schnell zu einem neuen Weltkrieg ausweitet, während der erste Weltkrieg noch in schlimmster Erinnerung ist. Von Begeisterung wie einst 1914 ist diesmal nichts zu spüren. Wieder wie erst 25 Jahre zuvor werden die wehrfähigen Männer eingezogen, und wieder müssen zahllose Frauen sehen, wie sie allein fertig werden. Diesmal wirkt sich der Krieg, nachdem er sich zunächst nahezu ganz außerhalb der Reichsgrenzen abgespielt hatte, mehr und mehr auf' die Bevölkerung in der Heimat unmittelbar aus, vor allem durch die immer häufiger werdenden Luftangriffe. Zwar wird Lützenhardt nicht von Bomben getroffen, doch die ständige Bedrohung legt sich auch in dieser abgelegenen Gemeinde wie ein schwerer ständiger Druck auf jeden Einzelnen. Schon bald sind 30 Gefallene aus Lützenhardt zu beklagen, und auch in der Heimat gibt es Tote: bei einem Fliegerangriff auf Pforzheim kommen die Lützenhardter Soldaten Bruno Flick, Vater von 7 Kindern, und Albert Gonser, Vater von 9 Kindern ums Leben, ohne dass man eine Spur mehr von ihnen findet.

1943 finden evakuierte Familien in Lützenhardt eine zeitweilige Unterkunft. Schüler und Schülerinnen des 8. Schuljahrs werden zeitweise vom Unterricht beurlaubt, damit sie zu Hause bei der Arbeit helfen können, und junge und auch ältere Männer werden zu Schanzarbeiten an der Westgrenze des Reiches dienstverpflichtet. In der Möbelfabrik Strobel ist ein "Rüstungsbetrieb" untergebracht. Im Februar 1945 müssen als "Volksopfer" auch in Lützenhardt Kleider und Wäsche abgegeben werden, doch das ganze Sammelgut wird schon in Freudenstadt vernichtet beim Brand der Stadt, der von französischen Truppen gelegt worden war. Um Ostern wird der Eisenbahnverkehr eingestellt, nachdem zurückflutende deutsche Truppen die Eisenbahnbrücken zerstört haben. Noch ganz kurz vor Kriegsende sollen alle Jungen von 13 bis 16 Jahren in die Steiermark zur Verteidigung der "Alpenfestung" abtransportiert werden, doch dies wird durch den Widerstand der Eltern verhindert.

Kriegsende 1945

Im Mai, noch vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, kommt für Lützenhardt das Kriegsende: die nationalsozialistischen Funktionäre verschwinden, französische Truppen rücken ein. Beim Einmarsch dieser Truppen wird Martha Wittich auf der Straße erschossen, weil sie nicht auf Anruf sofort stehen geblieben ist. Das Waldachtal ist von der Außenwelt abgeschlossen, denn kein Zug fährt mehr, alle Telefonleitungen sind zerschnitten. Die Bevölkerung wartet von Tag zu Tag ab, was geschieht, man steht ratlos und tatenlos auf den Straßen herum. Bald jedoch packen die Bürstenhändler wieder Ware ein und gehen irgendwie auf die Reise, um Lebensmittel gegen Bürsten einzutauschen. Pfarrer Merkle stellt mit Befriedigung fest, dass die Kirche seit Jahren zum ersten Mal wieder voll ist.

In der Folgezeit bestimmt das französische Militär das öffentliche Leben in ihrer Besatzungszone und in den einzelnen Städten und Gemeinden weitgehend. In Lützenhardt räumen sie unter anderem die Kleiderfabrik Sonnenfroh aus und verhaften den Betriebsinhaber, erst im Juli 1945 kann der Betrieb wieder anlaufen. Sie fordern auch von jedem Haushalt die Abgabe von 50 Eiern, zwei Pfund Butter, 12 Hühnern, einer Kuh und einem Schwein - in Lützenhardt haben sie allerdings damit nicht viel Glück. Im Erdgeschoss des Schulhauses richten sie ein Arrestlokal ein, über der Tür steht mit Kreide geschrieben "Hotel tout Comfort". Ein Arrestlokal brauchen sie, denn sie sind ziemlich nervös, überall vermuten sie Fallen oder Verrat, immer wieder werden Verdächtige eingesperrt. Im Sommer werden 86 französische Kinder zur Erholung in Lützenhardt untergebracht. Sie werden auf die Gastwirtschaften im Ort verteilt, stehen unter ständigem militärischen Schutz und stellen so für eine Zeitlang eine Art französischer Kolonie im Ort dar. Als eine Marschkolonne von mehreren Tausend deutschen Kriegsgefangenen durch Lützenhardt marschiert und Sophie Witzelmaier versucht, dem einen oder anderen von ihnen Essen zuzustecken, wird sie kurzer Hand von französischen Soldaten erschossen.

Allmählich jedoch beginnen sich die Verhältnisse etwas zu bessern. Im Oktober 1945 wird der Schulunterricht wieder erlaubt, allerdings nicht der Geschichtsunterricht, der bleibt noch eine ganze Weile verboten. Auch die Krankenschwestern dürfen wieder im Ort arbeiten. Die Straßenbeleuchtung wird wieder instand gesetzt, Ausgehzeit ist von 6 bis 24 Uhr. Die Post arbeitet wieder, wenn auch mit vielerlei Einschränkungen, und zwischen Dornstetten und Eutingen fahren die ersten Eisenbahnzüge. Zwischen Dornstetten und Freudenstadt verkehren sogar 4 Omnibusse am Tag. Ein Alptraum geht nach und nach zu Ende, aber Lützenhardt beklagt 68 Gefallene und 21 Vermisste Familienväter und Söhne, das ist für so eine kleine Gemeinde wie Lützenhardt ein schwerer Verlust.

Bürgermeister Chr. Wild 1946 - 1948

Im Juli 1946 verlässt Pfarrer Merkle Lützenhardt, nachdem er dort 11 Jahre amtiert hat, und an seiner Stelle zieht Pfarrer Drißner ins Pfarrhaus ein. Im September wird Christian Wild zum Bürgermeister gewählt. Mit Zustimmung der Franzosen wird ein neuer Gemeinderat gebildet, so dass die gemeindliche Selbstverwaltung wiederhergestellt ist. Im Januar wird im neugebildeten Land Südwürttemberg-Hohenzollern, dem der Landkreis Freudenstadt angehört, die Einwohnersteuer eingeführt, sie muss also auch in Lützenhardt eingezogen werden, und außerdem muss wegen der übergroßen Wohnungsnot eine totale Zuzugssperre nach Lützenhardt verhängt werden. Das sind etwa die ersten Aufgaben des neuen Gemeinderats.

Ähnlich wie nach dem ersten Weltkrieg hat auch diesmal wieder ein Verfall der deutschen Geldwährung eingesetzt, der dazu führt, dass lebensnotwendige Waren fast nur noch im Tausch gegen ebenso notwendige andere Waren zu bekommen sind. Die Lützenhardter Bürstenhändler sind jetzt in der selten glücklichen Lage, dass sie gegen ihre Bürstenwaren fast alles, was sie für ihren Lebensunterhalt brauchen, eintauschen können, für sie herrschte eine Art Hochkonjunktur. Allerdings nur bis zum 21. Juni 1948, dem Tag der Währungsreform, von dem ab jeder wieder mit Geld kaufen kann, was er braucht. Das bedeutet, dass von da ab die Notlage des Bürstenmacherhandwerks wieder die alte ist, nur mit dem Unterschied, dass jetzt mehr als je zuvor, nämlich 90% aller erwerbstätigen Lützenhardter, in der Bürstenbranche beschäftigt sind.

Die Gemeinde ist nach wie vor ohne Eigenbesitz, so dass beispielsweise der Friedhof nur mit Hilfe einer Haussammlung instand gesetzt werden kann. Dabei werden bauliche Maßnahmen verschiedenster Art immer notwendiger: die Ortsstraßen sind immer noch in miserablem Zustand, 11 Neubauten brauchen Wasseranschluß, die inzwischen entstandene Siedlung "Forchenwald " benötigt dringend Straßen und Kanalisation, im Schulhaus muss ein viertes Klassenzimmer ausgebaut werden. Der Gemeinderat beschließt, auf weite Sicht Rücklagen für einen Schulhaus-Neubau anzusammeln, und der Oberschulrat beantragt einen Staatsbeitrag dazu. Auch am Neubau eines Kindergartens und einer Krankenpflegestation muss die Gemeinde sich beteiligen. Zu allem Unglück verlegt die Kleiderfabrik Sonnenfroh ihren ganzen Betrieb nach Frankenthal in der Pfalz, so dass das Fabrikgebäude wieder einmal leer steht und keine Miete mehr einbringt - glücklicherweise nur für zwei Jahre, denn 1952 kommt der Betrieb wieder zurück nach Lützenhardt.

Bürgermeister Axt 1952 - 1974

Trotz der schlechten Finanzverhältnisse muss die Gemeinde auch immer wieder mit Zuschüssen einspringen, wenn Bürger ihre Arzt- oder Krankenhauskosten nicht bezahlen können. So stellt sich die Situation dar, als Bürgermeister Hilberg 1952 sein Amt zur Verfügung stellt und eine neue Bürgermeisterwahl fällig ist. Diesmal fällt die Wahl auf Rudolf Axt.

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